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Online-Kurzgeschichten
Lesezeit: etwa 5 Minuten
von
Carolin S.

Kühlschrank halbe Treppe

Noch eine halbe Stunde bis zum Anpfiff. Ellie hat es gerade so geschafft, sich aus dem Zug zu quetschen und die nächste U-Bahn nach Hause zu erwischen. Sie fährt die Rolltreppe hoch und zieht ihren Rollkoffer hinter sich her. Der Siegfriedplatz ist schon ziemlich leergefegt, doch drei ihr bekannte Jungs kicken sich als kleines Stehgrüppchen einen Ball zu, um sich schon mal auf das Endspiel einzustimmen: Thilo, Thomas und Jannis. Thilo entdeckt Ellie, bekommt noch gerade mit, dass Jannis ihm den Ball zu kickt und rutscht mit der Flanke ab. Er trifft Ellie am Kopf.
"Hackt"s?" beschwert sie sich, als sei es Thilos Absicht gewesen, doch er geht unbeeindruckt von ihrer schlechten Laune auf sie zu und umarmt sie: "Ellie! Was machst du denn hier? Ist dein Urlaub schon vorbei?"
Keine Zeit für Schwätzchen. Schließlich ist gleich Anpfiff. Koffer in den vierten Stock hieven, Bier ins Eisfach, Fernseher an. Eigentlich würde Ellie lieber mit ihren besten Freundinnen das Spiel schauen, doch die haben die Urlaubszeit im Sommer clever einkalkuliert und die Stadt verlassen. Also macht sie es sich alleine vor dem Fernseher gemütlich.
"Arminia hat – grrsccht – Vorbereitung – ssccchhhht – Training – krrschpt – endlich die Chance!"
ZAPP! BLACK!
Aus den umliegenden Wohnungen hört Ellie lauten "Tooooor!"-Jubel.
Scheißkiste! Hätte Sie damals auf Thilo gehört, würde ihr ein neuer Fernseher jetzt nicht das Pokalfinale vermasseln und das alte Ding hier wäre längst Historie.
Die Kneipe ist zu weit weg und Radio ist keine Alternative.
Es scheint, als würden heute Abend nicht nur Arminia gegen Borussia antreten, sondern auch Fußballleidenschaft gegen persönliche Würde.
Leidenschaft siegt. Also schellt Ellie an der Nachbartür und Thilo öffnet ihr seine Wohnungstür.
"Kann ich bei euch mit gucken? Bitte?"
"Lass mich kurz überlegen – Nein."
"Bitte! Mein Fernseher ist komplett kaputt."
"Das ist wirklich tragisch."
"Was muss ich tun?"
Thilo überlegt kurz, bis ihn eine gute Idee kommt: "Du holst das Bier."
Ellie willigt ein und quetscht sich an ihm vorbei ins Wohnzimmer, wo sie schon bald zwischen Thomas, Jannis und Thilo sitzt.
"Das Bier ist alle!" bemerkt Jannis.
Ellie nickt, kapiert erst dann, steht schnell auf, holt neues aus der Küche und setzt sich wieder zwischen die Jungs.
"Und das gibt gelb! Oder? Neeeiiin, es folgt das Elfmeterschießen!" informiert der Kommentator.
"Hey geil! Anstoßen! Haben wir noch was zu trinken?"
Nein. Ellie hat die letzten Flaschen gerade aus dem Kühlschrank geholt.
"Bier ist alle", erklärt Ellie und freut sich auf das Schießen, doch Thilo piesackt sie weiter: "Im Keller ist noch was im Kühlschrank."
Das darf jetzt nicht wahr sein! So ein Schuft!
Wäschekorb, Treppe runter, versuchen, das Tooooor!-Gebrüll zu ignorieren, schnell den Kühlschrank plündern und so schnell sie mit dem vollen Korb die Treppe hoch sprinten kann, zurück ins Wohnzimmer auf die Couch.
"Stellst du das Bier wenigstens bitte noch kalt?" fordert Thilo.
Arschgesicht.
"Es reicht!" schimpft Ellie, "Ich hab die Schnauze voll!"
"Ist gut", entgegnet Thilo, "Du weißt ja, wo die Tür ist."
Missmutig steht Ellie auf, trottet in die Küche und legt die Bierflaschen in den Kühlschrank. Doch der surrt nicht mehr. Eingestellt ist er aber. Nach mehrmaligem Prüfen stellt Ellie fest: Kaputt.
"Scheiße!" flucht Thilo über diese Nachricht, "Was mache ich denn jetzt?"
Samstag Abend, Hochsommer, ein Kühlschrank im Keller, der zu schwer ist, um ihn mal eben die Treppe hochzutransportieren.
Um nicht noch mehr vom Spiel zu verpassen, schlägt Ellie vor: "Also. Mein Kühlschrank funktioniert. Lass mich das Spiel zu Ende schauen und diese Biergeschichte hört auf und wir stellen meinen Kühlschrank über"s Wochenende auf halbe Treppe. Abgemacht?"
Thilo denkt nach, doch ein sich ankündigender Elfmeter drängt ihn zur schnellen Entscheidung: "Gebongt."