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Online-Kurzgeschichten
Lesezeit: etwa 4 Minuten
von
Carolin S.

Countrycity Consperience

Seit meinem siebten Lebensjahr komponiere ich Texte. Damals hießen meine beste Freundin und ich "Crazy Girls", sangen und rappten irgendwelche Melodien über Lila Badetücher und schlugen dazu mit Kochlöffeln auf ein selbstgebautes Schlagzeug ein. Robuste Schuhkartons, Eisbehälter und Kakao-Dosen – fertig war das Drumming-Set. Wir schrieben die Neunziger und Girl-Groups schossen aus dem Boden wie Primeln im Frühling.
Im Alter von 15 Jahren spielte ich in meiner ersten Band. Gitarre. Als blutige Anfängerin war ich miserabel und weit unter dem Niveau meiner Mitmusikanten, aber egal! Ich war in einer Band! Einer Rockband! Und ich hatte endlich die Gelegenheit, zu komponieren.
"Rest in Peace" – ein Song über Kurt Cobain – und "Depression" – beinhalteten Zeilen wie "Throw away your shotgun, what"s the use in being forever young" oder "Go out and cry out your pain, but stop taking cocaine" und gehörten zu meinen ersten lyrischen Krabbel-Versuchen.
Doch die Jungs hatten aufgrund ihres überragenden Talentes und ihrer Vorliebe für Progressive Rock wenig für eingeschränkte Fähigkeiten und meiner daraus resultierenden Vorliebe für Punkrock übrig. So träumte ich von einer eigenen Platte nach meinen Maßstäben.
Doch wer würde so etwas hören wollen?
Ich hatte nur eine Chance: Die Sommerferien.
Vattern hatte sich mit Musik-Software eingedeckt und verließ mit meiner Schwester und meiner Mutter für zwei Wochen das Haus, um in der Normandie ihren wohlverdienten Sommerurlaub zu genießen. Ich blieb zu Hause und frönte der Musik.
Meine Tage waren herrlich. Ausschlafen, frühstücken, Studioaufnahmen, Radeln, mit Freunden feiern oder Konzerte besuchen und sich von guter Musik inspirieren lassen. Alles drehte sich um Musik. Style, Zeitschriften, die CD-Sammlung, Radio, "MySpace", Plattenläden – Violin-, Bass- und Tenor-Schlüssel waren in meine Pupillen eingraviert und selbst beim Radeln sang und textete ich vor mich hin.
Doch bei aller Kreativität bohrte sich eine Frage korkenzieherartig durch mein Hirn: Will das wirklich Jemand hören? Was ist, wenn ich nicht gut genug bin?
Mein ärgster Kritiker war mein Vater. Nicht, dass er ein Meckerpott wäre oder mich gedrillt hätte, aber sein in meinen Augen hoher und gerechter Anspruch war für mich die Messlatte. Wenn ich ihn beeindrucken könnte, dann hätte ich es geschafft, dachte ich mir. Schließlich sollte er den ganzen Dudel abmischen, denn von Sound-Engeneering hatte ich keine Ahnung.
Der Tag war gekommen und mit ihm meine Familie aus dem Urlaub.
Mein Vater öffnete die Dateien und wir hörten die Songs einzeln durch.
So oder ähnlich muss sich wohl ein Prüfling im Abitur fühlen, dachte ich mir als Schülerin der zwölften Klasse. Herzrasen, Schluckbeschwerden, Schwindel-Kopf. Ich hockte auf dem Wohnzimmer-Teppich, denn wer bereits auf dem Boden sitzt, kann nicht mehr tief fallen.
"Das ist ja genial", flüsterte mein Vater in seinen Schnurrbart und der Teppich schwebte langsam gen holzverkleidete Zimmerdecke.