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Online-Kurzgeschichten
Lesezeit: etwa 3 Minuten
von
Carolin S.

Geh doch nach Berlin!

Ich wollte immer nach Hamburg ziehen. Jeder Besuch in der Hafenstadt fühlte sich wie ein zweites zu Hause an.
Doch 2009 wuchs in mir das Bedürfnis, das beim Anschauen einer Dokumentation über die Berliner Historie plötzlich ausbrach: "Ich will nach Berlin. Ich brenne!"
Mich reizte die Stärke der Stadt, die durch ihre heftige Geschichte der vergangenen Jahrhunderte zweifellos existent sein muss. Musik, Kultur, Kunst, Kommerz – Berlin hat alles, was ich brauche.
Also los.
Uni gecheckt, Aufnahmeprüfung bestanden, Wohnungssuche in Angriff genommen.
Und jetzt geht"s los. ALLE wollen nach Berlin! Dabei wird der extreme Hype um die Stadt doch erst im Jahr 2011 losgehen, wie ich zwei Jahre später feststellen muss.
Berlin scheint arm, aber sexy, und so hangele ich mich durch Veganer-WGs in Schöneberg über ramponierte Einzimmerwohnungen in Charlottenburg bis hin zu Bandprobenräumen, die sich fälschlicherweise als Gemeinschaftswohnung ausschreiben.
Zu allem Überfluss stellen Herz und Seele auch noch Ansprüche und wollen sich in der Stadt zu Hause fühlen. Welcher Bezirk könnte dieses Bedürfnis erfüllen?
Es ist nicht Kreuzberg. Auch nicht Charlottenburg, Schöneberg oder Treptow – es ist Prenzlauer Berg.
Je näher sich die Nadel auf der Landkarte meines Navigationssystems dem Zielort für die letzte Wohnungsbesichtigung von heute nähert, desto breiter wird das Grinsen in meinem Gesicht. Zwischen der Schönhauser und der Prenzlauer Allee nahe bei Pankow reiht sich Haus an Haus in einer irren Straßenführung aneinander.
Und dann öffnet er mir die Tür.
Wow!
Müsste ich Lässigkeit in einer Person beschreiben: Vor mir steht sie!
Jeff ist groß, athletisch und wirkt auf mich Landei schon fast überheblich, doch seine aufgeschlossene und ehrliche Art mit mir zu reden überzeugt den Kleinstadt-Nerd in mir.
Ich will hier einziehen, in diese Berlin-typische, mit Dielenboden, Doppelfenstern und Steinboden versehene Zweier-WG.
Doch wie hoch kann die Chance sein, wenn ich bisher durch Versprechen wie "Du bist uns auf jeden Fall sympathisch und wir rufen dich an" mit Absagen wie "Sorry, aber da kam nach dir dann doch noch Jemand, der irgendwie besser zu uns passte" vertröstet wurde.
"Es gibt schon noch ein paar Bewerber", beantwortet Jeff meine Frage nach der Quote und meinen Chancen, "aber du bist bisher mein absoluter Favourite."
Oh. Yeah.
"Ich denk nochmal nach und ruf dich dann an", verabschiedet er sich von mir.
Zehn Minuten später klingelt auf dem Weg zum Campingplatz mein Handy: "Lass uns das machen."
Berlin"s calling. And I"m coming.